Beim Abschreiben und Setzen von Texten ertappt sich jeder rechtschreiblich Bewanderte immer wieder dabei, wie er die offensichtlichen oder eingebildeten Fehler des Manuskriptes en passant korrigiert. Manches mal entziehen sich diese kleinen Eingriffe gar dem Bewusstsein; der falsche Buchstabe wird richtig gelesen, das doppelte Wort in der Vorlage glatt übersehen.
Doch der Setzer setze sklavisch ab, was er vorfindet, so die alte Regel. Und je schöpferischer der Schreiber, je ausgefeilter die Formulierungen, desto eher sind Abweichungen von der geltenden Norm gewollt und notwendig.
Der Philosoph Arthur Schopenhauer (22. Februar 1788 – 21. September 1860) war ein schwieriger Zeitgenosse, lange Zeit überworfen mit oder ungelesen von vielen anderen Philosophen seiner Zeit und stets von der eigenen Klarsicht überzeugt. Er lebte als eigenbrötlerischer Junggeselle, nur einen Pudel sah man ihn zeitlebens begleiten. Starb dieser, was so alle zehn Jahre geschah, dann erwarb er wieder ein ähnliches Tier. Denn er war der festen Ansicht, dass jeder Hund gleichzeitig jeden anderen Hund enthalte, so dass „des Pudels Kern“ ihm doch erhalten bliebe.
In den publizierten schriftlichen Auseinandersetzungen mit seinem Verleger Brockhaus ist aus dem Jahre 1847 auch eine Ermahnung an den Setzer seines Werkes überliefert. Diese zeigt, wie der gewaltige Denker die Sprache formte und verformt erhalten wissen wollte:
Mein lieber Setzer!
Wir verhalten uns zueinander wie Leib und Seele; wir müssen daher, wie diese, einander unterstützen, auf dass ein Werk zustande komme, daran der Herr (Brockhaus) Wohlgefallen habe.
Ich habe hierzu das Meinige getan und stets, bei jeder Zeile, jedem Wort, ja jedem Buchstaben, an Sie gedacht, ob Sie nämlich es auch würden lesen können. Jetzt tun Sie das Ihre.
Mein Manuskript ist nicht zierlich, aber sehr deutlich, auch groß geschrieben. Die viele Überarbeitung und fleißige Feile hat viele Korrekturen und Einschiebsel herbeigeführt. Jedoch alles deutlich und mit genauester Hinweisung auf jedes Einschiebsel durch Zeichen, so dass Sie hierin nie irren können; wenn Sie nur recht aufmerksam sind und mit dem Vertrauen, dass alles richtig sei, jedes Zeichen bemerken und sein entsprechendes auf der Nebenseite suchen.
Beachten Sie genau meine Rechtschreibung und Interpunktion: und denken Sie nie, Sie verständen es besser; ich bin die Seele, Sie der Leib.
Und überall sei das Letzte, was Sie denken oder annehmen, dieses, dass ich eine Nachlässigkeit begangen hätte. Bedenken Sie, wenn die vielen Korrekturen Ihnen beschwerlich fallen, dass eben infolge derselben ich nie nötig haben werde, auf dem gedruckten Korrekturbogen noch meinen Stil zu verbessern und Ihnen dadurch doppelte Mühe zu machen.
Ich setze gerne doppelte Vokale und das tonverlängernde h, wie es früher jeder setzte. Ich setze nie ein Komma vor denn, sondern Kolon oder Punkt. Ich schreibe überall ahnden, nie ahnen. Ich schreibe „trübsälig, glücksälig“ usw., auch etwan, nie etwa. Teilen Sie diese Mahnung dem Korrektor mit.